© Michael Bechtold 2012 - 2019
agavenandmore.de
Eine abenteuerliche Mexikoreise zum Typstandort von LAU 088 in der Sierra Obscura Teil 2 Michael Bechtold und Wolfgang Metorn Gegen Mitternacht wurden wir durch grelles Licht und lautes Motorengeräusch aufgeschreckt. Schon wieder eine Militärpatrouille? Mutig kroch Wolfgang als erster aus dem Zelt. Ein Pickup war über offenes Feld bis an unsere Zelte herangefahren. Zwei junge Mexikaner mit Gewehren und blendenden Stirnlampen standen vor Wolfgang. Es waren die beiden Neffen des Ranchers, die auf nächtlicher Jagd unterwegs waren. Wir hatten unser Lager auf ihrem riesigen Farmgelände aufgeschlagen. Bei einigen cervezas kamen wir ins Gespräch. Die beiden waren muy simpaticos und sehr neugierig. Sie wollten ganz genau wissen, was wir hier machen, wo wir herkommen und was wir vor hätten. Wir erzählten von unserem Vorhaben, den Cañon de Baborocos in der Sierra Obscura zu erreichen, weil wir dort einen seltenen Kaktus fotografieren wollen. Die beiden Rancher schüttelten nur verwundert ihren Kopf und dachten wohl, diese alemanes müssen un poco locos – ein wenig verrückt sein. Wie konnte man wegen so nutzlosem Zeug solche Strapazen auf sich nehmen. Trotzdem zögerten sie nicht lange und boten ihren neuen deutschen Amigos an, uns mit ihrem Pickup am nächsten Tag in die immerhin noch 60 km entfernte Sierra Obscura zu fahren. Erfreut willigten wir ein, über den Preis waren wir uns schnell einig. Schlaflos fieberten wir während der restlichen Nacht dem kommenden Abenteuer entgegen. Wir standen um sechs Uhr auf, bauten die Zelte ab und waren nach einem schnellen Frühstück zur vereinbarten Zeit um 7 Uhr marschbereit. Unsere Weiterfahrt verzögerte sich jedoch um schier endlos scheinende 90 Minuten, da unser Fahrer erst gegen 8 Uhr 30 mit seinem Pickup eintraf. Es stellte sich heraus, dass wir nicht an die Ortszeit von Sonora gedacht hatten. Für mexikanische Verhältnisse war Israel, so hieß unser Fahrer, also äußerst pünktlich. Aus Gründen der Sicherheit parkten wir unsere Busse am Haus seines Onkels. Die Ladefläche des Pickup war für Personenbeförderung gut gepolstert. Wir packten unsere Sachen ein und schon ging die Fahrt los. Die Piste führte häufig über Bergrücken, die faszinierende Ausblicke boten. Während der Fahrt verständigte sich der Fahrer über Funk mit den entgegenkommenden Holztransportern. Da die Piste nur einspurig zu befahren war, mussten wir öfter anhalten und die voll beladenen Holzlaster vorbei lassen. Natürlich nutzten wir dabei die Gelegenheiten zur Erkundung der näheren Umgebung. Häufig fanden wir im Wald blühende Gruppen von Echinocereus salm-dyckianus forma obscuriensis auf felsigem Untergrund. Auf halber Strecke hatten wir die eine Reifenpanne. Nach dem Reifenwechsel setzten wir die Fahrt unter großen Bedenken fort, da wir keinen weiteren Ersatzreifen dabei hatten. Die nächste Reifenpanne hätte uns in eine äußerst missliche Lage gebracht. An allen Holzfällercamps, die wir passierten, erkundigte sich Israel nach dem Verlauf des weiteren Wegs. Er war zwar vor vielen Jahren schon einmal in der Sierra Obscura, konnte sich aber nicht mehr an Einzelheiten erinnern, zumal sich der Straßenverlauf dauernd ändert und immer wieder neue Wege davon abzweigen. Hinweisschilder sind hier unbekannt. So musste er sich stets vergewissern, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Die Wegstrecke war so schlecht, dass sogar der Pickup mit Allradantrieb an Steilstrecken in größte Schwierigkeiten kam. Nach einer ca. 5stündigen Fahrt erreichten wir das Holzfällercamp El Campito in der Nähe des Cañon de Baborocos. Wir hielten am ersten Haus an und fragten einen älteren, vor dem Haus sitzenden Mexikaner nach dem Weg zum Cañon. Während eines kurzen Gesprächs erzählte er uns, dass er Don Alfredo, also Alfred B. LAU, kennen würde und ihm damals eine Pflanze in den Steilhängen des Cañon de Baborocos gezeigt hätte. Zum Beweis holte er eine Blechbüchse mit zwei Pflanzen, die wir sofort als LAU 088 identifizierten. Wir wurden richtig euphorisch, waren wir unserem Ziel doch greifbar nahe! Der alte Mexikaner holte zwei junge Burschen aus dem Camp, die uns an den Standort führten. Nach einer halbstündigen Fahrt erreichten wir den Rand des Cañons. Überwältigt von der Schönheit und der Größe des vor uns liegenden Schluchtenareals, machten wir erst einmal eine kleine Rast, um den Ausblick zu genießen. Die nahezu senkrecht fallenden Felswände stellten ein nahezu unüberwindbares Hindernis dar. Unsere beiden Führer kletterten aber voraus und suchten einen Weg, auf dem wir in die Schlucht einsteigen konnten. Nach kurzer Zeit hatte einer der beiden Mexikaner den ersten LAU 088 entdeckt. Unsere Freude war riesengroß. Es war eine große rubinrot bedornte, aber stark beschädigte Pflanze. Innerhalb einer Stunde fanden wir dann noch einige Pflanzen und stellen dabei fest, dass die Farbe der Bedornung variiert, indem neben den dunkel bedornten Pflanzen auch solche mit hellen Zonen im Dornenkleid und nur rubinrot eingefärbtem Scheitel vorkamen. Die in unseren Sammlungen vorherrschende intensiv dunkelrubinrote Bedornung von LAU 088 dürfte wohl auf eine Selektion schon durch Lau am Standort zurückzuführen sein und zudem auch das Ergebnis jahrelanger Auslese bei der Vermehrung über Aussaat. Allerdings sei daran erinnert, dass die Sämlinge generell erst rein weiß bedornt sind und die Einfärbung später erfolgt. An Begleitpflanzen fanden wir sehr schön bedornte Mammillaria hertrichiana, sowie Agaven und ein herrlich gewachsenes Dasylirion. Wir befanden uns auf einer Höhe von ca. 1800 m NN. Tiefer konnten wir in der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit nicht in die Schlucht absteigen. Nach einem etwa zweistündigen Aufenthalt mussten wir den Standort wieder verlassen. Unser Fahrer Israel hatte in der Zwischenzeit im Camp ein Abendessen organisiert. Es gab ausgezeichnete schmeckende Tamales mit Hühnchenfleischfüllung, die eine alte Señora auf einem zum Herd umfunktionierten Ölfass extra für uns zubereitet hatte. Auf der Rückfahrt fanden wir noch in der Nähe des Camps im letzten Tageslicht einige von den Felswänden herunterhängende Exemplare des Echinocereus gentryi. Lange nach Mitternacht erreichten wir, von einem erlebnisreichen Tag erschöpft, aber glücklich, die Ranch von Israels Onkel. Danksagung: Die Autoren bedanken sich herzlich bei Herrn Dr. G. R. W. Frank für die freundliche Unterstützung. L i t e r a t u r: APPENZELLER, O. (1992): Feldnummernliste A.B. Lau , Teil 1, Mexiko 1972 - 1992. – AfM-Sonderheft. FRANK, G.R.W. (1982): Erstbeschreibung von Echinocereus pectinatus var. rubispinus G.R.W. Frank et A.B. Lau - eine neue Varietät aus der Sierra Obscura. – Kakt. and. Sukk. 33 (2): 32 – 35. FRANK, G.R.W. (1991): DKG-Karteikarte Nr. 33: Echinocereus rigidissimus var. rubispinus (G.R.W. Frank) N.P. Taylor LAU, A.B. (1974): Hidden Beauty in the Gorge. – Cact. Succ. J. Amer. 46 (3): 131 - 134. LAU, A.B. (2000): Echinocereus rigidissimus ssp. rubispinus (G.R.W. Frank et A.B. Lau) N.P. Taylor. - Als Deckblattbild: von Ecf. 13 (1) 2000. PICHLER, G. (2000): Eine weißbedornte Form des Echinocereus rigidissimus ssp. rubispinus an einem neuen Fundort. – Ecf 13 (1): 5 - 7. TAYLOR, N.P. (1984): Echinocereus rigidissimus var. rubispinus (G.R.W. Frank) N.P. Taylor. – Kew Mag. 1: 175. TAYLOR, N.P. (1997): Echinocereus rigidissimus ssp. rubispinus (G.R.W. Frank) N.P. Taylor – In D. HUNT: Cactaceae Consensus Initiatives 3: 9. Veröffentlicht in Kakteen und andere Sukkulenten, Heft 2, 2005